Neues Vormundschafts- und Betreuungsrecht
Zum 01.01.2023 ist das Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts in Kraft getreten. Das Jahr 2023 steht damit ganz im Lichte von stärkerer Selbstbestimmung und höherer Qualität in der rechtlichen Betreuung. Die neuen betreuungsrechtlichen Vorschriften sind nunmehr in den §§ 1814 ff. BGB geregelt.
Zertifikatskurse der ipb gGmbH 2023
Auch im Jahr 2023 wirke ich wieder als Dozent in den Zertifikatskursen Verfahrenspflegschaft für Betreuer/innen sowie Verfahrensbeistandschaft in Kindschaftssachen des Institutes für Innovation und Praxistransfer in der Betreuung (ipb) gGmbH mit.
Eine Anmeldung für die nächsten Kurse ist hier und hier möglich.
Zur Anwendbarkeit des § 1907 BGB bei freiheitsentziehender Unterbringung
Mit einer fatalen Entscheidung vom 21.11.2022 hat das Landgericht Hildesheim (Az. 6 S 39/22) ein Urteil und einen Beschluss über den Erlass einer einstweiligen Verfügung des Amtsgerichts Lehrte (Az. 9 C 120/22) aufgehoben. Das Amtsgericht Lehrte hatte zuvor eine therapeutische Wohneinrichtung durch einstweilige Verfügung verpflichtet, die Betreute wieder in den dortigen geschlossenen Wohnbereich aufzunehmen. Zwischen der durch mich vertretenen Betreuten und der Wohneinrichtung war insbesondere ein Wohn- und Betreuungsvertrag geschlossen worden, der die Überlassung eines im Vertrag näher bezeichneten Doppelzimmers im geschlossenen Wohnbereich zu Wohnzwecken vorsah. Die behandelnden Ärzte in der therapeutischen Wohneinrichtung hatten sich nunmehr auf den Standpunkt gestellt, dass eine weitere freiheitsentziehende Unterbringung nicht mehr erforderlich sei, woraufhin diese von mir nach § 1906 Abs. 3 Satz 1 BGB beendet worden war. Keine 24 Stunden nach der Entlassung der Betreuten stellte sich die ärztliche Einschätzung sodann als falsch dar, so dass die Betreute wieder in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses untergebracht werden musste. Durch das Betreuungsgericht wurde ein weiteres Sachverständigengutachten eingeholt, das die Einschätzung der behandelnden Ärzte in der therapeutischen Wohneinrichtung scharf kritisierte. Die Wohneinrichtung erklärte nun aber, dass sie die — durchaus herausfordernde — Betreute nicht mehr aufnehmen wolle, so dass es zu einem Streit über die Frage kam, ob die zunächst erklärte Kündigung mangels betreuungsgerichtlicher Genehmigung nach § 1907 Abs. 1 BGB wirksam sei. Zur Kündigung eines Mietverhältnisses über Wohnraum, den der Betreute gemietet hat, bedarf der Betreuer gem. § 1907 Abs. 1 BGB insbesondere der Genehmigung des Betreuungsgerichts. Die Vorschrift dient damit in erster Linie dem Schutz des Lebensmittelpunktes des Betreuten. Während die Zivilabteilung des Amtsgerichts Lehrte eine Anwendbarkeit des § 1907 BGB noch bejaht hatte, führte das Landgericht Hildesheim aus, dass die Vorschrift des § 1906 Abs. 3 Satz 1 BGB, nach der eine sofortige Entlassung des Betreuten bei Wegfall der Unterbringungsvoraussetzungen zu erfolgen habe, denklogisch beinhalte, dass nach Beendigung der Unterbringung hinsichtlich des geschlossenen Heimvertrages nicht zusätzlich noch die Kündigungsvoraussetzungen des § 1907 Abs. 1 BGB vorliegen müssten. Dies könne nämlich ggf. zu einer nicht mehr zu rechtfertigenden Unterbringung bis zur Erteilung der betreuungsgerichtlichen Genehmigung oder bis zur Kündigungserklärung führen, was mit der Regelung des § 1906 BGB nicht in Einklang zu bringen sei.
Die Entscheidung des Landgerichts Hildesheim ist aus meiner Sicht nicht besonders überzeugend, da die Kammer Mietrecht in Zusammenhang mit einer betreuungsrechtlichen Spezialvorschrift — nämlich der des § 1907 Abs. 1 BGB — mit der unterbringungsrechtlichen Vorschrift des § 1906 BGB zusammenwürfelt. Die Kammer lässt beispielsweise außer Acht, dass es in der Praxis häufig noch zu einem freiwilligen Verbleib eines zunächst freiheitsentziehend nach § 1906 BGB untergebrachten Betreuten in einem geschlossenen Wohnbereich nach Beendingung der freiheitsentziehenden Unterbringung kommt, wenn keine geeignete offene Wohneinrichtung zur Verfügung steht. Der Betreute hat dann mangels Unterbringungsbeschluss die Möglichkeit, die Einrichtung jederzeit auf seinen Wunsch hin zu verlassen. Darüber hinaus gilt beispielsweise ein Mietvertrag über eine Wohnung im 3. Obergeschoss eines Wohnhauses auch nicht automatisch als gekündigt, nur weil sich jemand beide Beine gebrochen hat und nicht mehr in der Lage ist, die Wohnung zu erreichen und damit zu nutzen. Die Entscheidung des Landgerichts Hildesheim bedeutet vor allem, dass Betreute in geschlossenen Wohneinrichtungen nahezu hilflos den dortigen Fachkräften bzw. behandelnden Ärzten ausgeliefert sind. So ist es Einrichtungen sodann möglich, sich bei unliebsam gewordenen Bewohnern jederzeit von diesen ohne Rücksicht auf Kündigungsfristen zu trennen, in dem man sich ärztlicherseits auf den Standpunkt stellt, dass die freiheitsentziehende Unterbringung medizinisch nicht mehr erforderlich sei, womit der Betreuer sie nach § 1906 Abs. 3 Satz 1 BGB unverzüglich zu beenden hätte. Es würde dann immer sofort die Obdachlosigkeit des betroffenen Menschen eintreten.
Die Revision wurde nicht zugelassen.
Neue Büroanschrift ab dem 15.07.2022
Sie finden mein Büro ab sofort in Hamburg-Barmbek unter der Anschrift
Bramfelder Str. 102 B
22305 Hamburg
Das Büro befindet sich im 2. OG. Ein Aufzug ist vorhanden.
Aufgaben und Grenzen rechtlicher Betreuung im Maßregelvollzug der forensischen Psychiatrie
In der aktuell erschienenen 2. Ausgabe der Betreuungsrechtlichen Praxis (BtPrax) 2022 — Zeitschrift für soziale Arbeit, gutachterliche Tätigkeit und Rechtsanwendung in der Betreuung ist ein Aufsatz von mir zum Thema “Aufgaben und Grenzen rechtlicher Betreuung im Maßregelvollzug der forensischen Psychiatrie” (BtPrax 2022, 50 ff.) zu lesen.
Es geht dabei um ein Thema, das insbesondere aufgrund fehlender Ressourcen der Allgemeinpsychiatrie und damit gleichzeitig steigender Anzahl an Unterbringungen im Maßregelvollzug der forensischen Psychiatrie immer wichtiger für Berufsbetreuerinnen und Berufsbetreuer wird.
Online-Zertifikatskurs “Verfahrensbeistandschaft in Kindschaftssachen”
Das Institut für Innovation und Praxistransfer in der Betreuung (ipb) gGmbH veranstaltet vom 20.04. bis 29.04.2022 zum zweiten Mal den erfolgreichen Online-Zertifikatskurs “Verfahrensbeistandschaft in Kindschaftssachen”, an dem ich als Dozent mitwirke. Der Zertifikatskurs ist so ausgestaltet, dass damit die Voraussetzungen des neuen § 158a FamFG in Bezug auf die für die Tätigkeit als Verfahrensbeistand erforderliche Zusatzqualifikation erfüllt werden.
Eine Anmeldung ist hier möglich.
Wo gehobelt wird, da fallen Späne
Auch in der Medizin. Meine 31-jährige Betreute, die schwer psychisch erkrankt ist und seit Jahren in offenen und geschlossenen Wohneinrichtungen lebt, unterzog sich im Jahr 2020 aufgrund eines Bandscheibenvorfalls einer Operation an der Wirbelsäule in der neurochirurgischen Klinik des DIAKO Krankenhauses in Flensburg. Operiert werden sollte eigentlich die Höhe LWK 5/SWK1. Eine MRT-Untersuchung nach dem durchgeführten Eingriff ergab allerdings eine operative Behandlung der Höhe LWK 4/5. Die Betreute musste sich in der Folge einem weiteren neurochirurgischen Eingriff unterziehen, erlitt in der Zwischenzeit aufgrund der entstandenen Belastungssituation eine Exazerbation ihrer schweren psychischen Erkrankung und musste auch noch mehrere Tage vor dem Hintergrund einer lokalen Wundinfektion intensivmedizinisch behandelt werden.
Die Klinik haben wir inzwischen wegen eines Behandlungsfehlers in Anspruch genommen und dazu die Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern angerufen. Die Klinik hat nunmehr den Vorwurf einer Operation in der falschen Höhe eingeräumt, eine Kausalität in Zusammenhang mit den sonstigen Komplikationen aber bestritten. Entschuldigt hat man sich bei der Betreuten übrigens nicht.
Ärztekammer Hamburg weist ärztlichen Gutachter in die Schranken
Im Januar hatte ich an dieser Stelle bereits über einen ärztlichen Sachverständigen berichtet, der meinen Betreuten in einem betreuungsgerichtlichen Verfahren begutachtet hatte, anschließend aber ausgerechnet auch noch einen gutachterlichen Auftrag der Staatsanwaltschaft zu der Frage angenomen hatte, ob die Unterbringung meines Betreuten gem. § 63 StGB in einem forensischen Krankenhaus (Maßregelvollzug) erforderlich sei. Der Sachverständige hatte in diesem Zusammenhang nicht nur sämtliche im Betreuungsverfahren erlangten Informationen für sein Gutachten im Auftrag der Staatsanwaltschaft verwertet, sondern auch Informationen an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet, zu denen ihm bekannt war, dass diese nicht für die Staatsanwaltschaft bestimmt waren. Ziel der Staatsanwaltschaft war es ganz offensichtlich, durch Mitwirkung des Sachverständigen rechtswidrig an Informationen zu kommen, die letztlich zu einer forensischen Unterbringung meines Betreuten führen könnten. Ich hatte damals strafrechtliche Schritte und eine Beschwerde bei der für den Sachverständigen zuständigen Ärztekammer angekündigt.
Die Ärztekammer hat sich nun im Rahmen ihrer Berufsaufsicht in einer Sitzung am 22.06.2020 mit der Beschwerde befasst und festgestellt, dass die gleichzeitige Annahme eines Gutachtens in einem Betreuungsverfahren und in einem Verfahren zur Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB die Frage nach der Interessenkollision auswerfe. Auch wenn es sich im gutachterlichen Verfahren nicht um ein Arzt-Patienten-Verhältnis, sondern um ein Probanden-Verhältnis handele, halte der Vorstand der Ärztekammer die gleichzeitige gutachterliche Tätigkeit in beiden Verfahren für äußerst kritisch und habe die Weiterleitung eines Schreibens an die Staatsanwaltschaft als einen Verstoß gegen die ärztliche Verschwiegenheitsverpflichtung gewertet und beanstandet. Der ärztliche Sachverständige sei über die Auffassung des Vorstandes in angemessener Weise unterrichtet worden.
Der Sachverständige selbst zeigte sich erstaunlicher Weise weiterhin völlig uneinsichtig sowie ohne Problembewusstsein und erklärte gegenüber der Ärztekammer, die Einholung fremdanamnetischer Informationen sei ein üblicher Vorgang bei einer medizinischen Beurteilung. Er habe angeblich zu Beginn des Gesprächs seinen Namen, seine Funktion und den Hintergrund der Begutachtung genannt.
Die Entscheidung der Ärztekammer Hamburg stärkt damit die Interessen von Menschen, die im Rahmen eines Betreuungsverfahrens durch ärztliche Sachverständige begutachtet werden und ist aus meiner Sicht sehr zu begrüßen.
Chapeau, lieber Mitarbeiter der HypoVereinsbank!
An dieser Stelle berichte ich gelegentlich auch über die zumeist schwierige Zusammenarbeit mit Banken. Immer wieder kommt es vor, dass kontoführende Banken rechtswidrig Erklärungen des Betreuers einfordern. Durch die Banken wird dann meist erklärt, dass ohne die entsprechenden Erklärungen, für die es keine Rechtsgrundlage gibt, kein Zugang zum Girokonto oder Online-Banking des Betreuten gewährt werden kann. Diskussionen mit Bankmitarbeitern sind an dieser Stelle erfahrungsgemäß nutzlos, so dass völlig überflüssige gerichtliche Verfahren betrieben werden müssen, um den Zugang zum Girokonto zu erhalten.
In einem neuen Betreuungsverfahren zeigte ich vor Kurzem die Betreuung der HypoVereinsbank an. Wie selbstverständlich forderte die Bank von mir die folgende Erklärung ein:
Der BdB hat hier ziemlich gut zusammen gefasst, was bei der “Zusammenarbeit” zwischen Betreuern und kontoführenden Banken zu beachten ist. Eine derartige Erklärung kann vom Betreuer regelmäßig jedenfalls nicht eingefordert werden.
Bereits bezüglich der in der obigen Erklärung enthaltenden Verpflichtung, den Betreuerausweis einmal jährlich der Bank vorzulegen, hat der BGH schon am 30.03.2010 (XI ZR 184/09) entschieden, dass eine Bank nicht berechtigt ist, die Entgegennahme und vertragsgerechte Umsetzung rechtsgeschäftlicher Erklärungen des Betreuers eines Kontoinhabers von der Vorlage eines Betreuerausweises abhängig zu machen, wenn ihr der Ausweis einmal vorgelegt wurde.
Was nun erneut nach einer lästigen gerichtlichen Auseinandersetzung aussah, führte dank eines engagierten und kundenfreundlichen Mitarbeiters der HypoVereinsbank nunmehr zu einer Änderung der entsprechenden internen “Bankrichtlinien”. Der mit meinem Anliegen befasste Bankmitarbeiter erhielt von seiner Rechtsabteilung zunächst die zu erwartende Standard-Auskunft, dass über die eingeforderte Erklärung nicht zu diskutieren sei, recherchierte aber auf eigene Faust weiter und sorgte dafür, dass letztlich der Syndikusanwalt der HypoVereinsbank eingeschaltet wurde und die Rechtsabteilung endlich über die geltende Rechtslage aufklärte.
Einen so engagierten Mitarbeiter wie Herrn Bach bei der HypoVereinsbank in Hamburg-Blankenese können auch andere Banken dringend gebrauchen. Das würde nicht nur einigen Betreuern und Gerichten viel Arbeit ersparen, sondern auch dazu beitragen, dass die Banken im Ergebnis nicht die Kosten eines völlig überflüssigen Rechtsstreites tragen müssen.